Pfarrerin Martina Belzer geht nach 17 Jahren in den Ruhestand – Verabschiedung am Sonntag in Wohnbach
Zwischen Kanzel, Kindergottesdienst und Kirchengeschichte
Patricia Luft
25.06.2025
ast
Artikel:
Download PDF
Drucken
Teilen
Wenn Martina Belzer über ihre Zeit als Pfarrerin in Wohnbach, Obbornhofen und Bellersheim im Evangelischen Dekanat Gießener Land spricht, blitzen hinter den Worten Wärme, Engagement und ein Augenzwinkern auf. Im August geht sie in den Ruhestand – und wer ihr zuhört, merkt schnell: Diese Frau hat nicht einfach nur einen Beruf ausgeübt. Sie hat ihn gelebt.
Seit 2008 wohnt und wirkt sie im Pfarrhaus in Wohnbach – und von Anfang an gab es viel zu tun. „Ich hab‘ dort anfangs sehr gefroren“, erinnert sich Martina Belzer lachend – damals gab es keine Fensterläden, die Haustür war undicht, das Dach war nicht gedämmt und durch die Türspalten pfiff der Wind. Doch statt sich entmutigen zu lassen, packte sie an. Erst wurde das Pfarrhaus saniert, dann der Gemeindesaal mit Solaranlage auf dem Dach – und schließlich die Kirche selbst. Schritt für Schritt entstand so nicht nur ein Ort zum Leben und Feiern, sondern ein Stück erneuerte Gemeindekultur. Der neue Fußboden in der Kirche brachte Überraschendes zutage: alte Gräber unter dem Kirchenschiff, Knochen aus dem 16. Jahrhundert, darunter viele Kinder. Eine kleine Schachtel mit diesen Gebeinen steht heute noch im Altar – ein stilles Zeichen für Geschichte und Vergänglichkeit mitten im Gottesdienst.
Fast 17 Jahre lang war Martina Belzer als Pfarrerin ausschließlich in Wohnbach tätig. Seit 2021 hat sie zusätzlich die Verantwortung für die Gemeinden Obbornhofen und Bellersheim übernommen – und damit auch für drei Kirchenvorstände. Insgesamt sind das etwa 1.500 Gemeindeglieder, was Organisationstalent, Menschenliebe – und Humor verlangt. Alles drei bringt sie mit. Der Gemeindebrief der „Kirchturmblick“, ein gemeinsames Projekt von Hungen, Bellersheim, Obbornhofen und Wohnbach, war eines ihrer Herzensprojekte. Mit Leidenschaft schrieb sie theologische Beiträge, thematische Impulse – und immer wieder auch eine Glosse. Martina Belzer liebt die Sprache, das Denken, das Schreiben. Und die Begegnung.
Das zeigt sich auch in ihrem Engagement über die Gemeinde hinaus: Sie war viele Jahre in der Notfallseelsorge aktiv – ein Dienst, der sie tief geprägt hat. „Da habe ich gemerkt, wofür ich eigentlich Pfarrerin geworden bin“, sagt sie. In Extremsituationen da sein für Menschen, zuhören, einfach bleiben – das war ihr wichtig. Doch es gab auch belastende Nächte. „Drei schlimme Einsätze in einer Nacht – da wusste ich: Das geht so nicht mehr.“ Und doch: Ihre große Wertschätzung für das Team, für die Kraft dieses Dienstes, bleibt.
Martina Belzer hat Kirche immer auch strukturell mitgedacht. Sie war lange Mitglied des Dekanatssynodalvorstandes sowie der EKHN-Synode, Teil des Finanzausschusses, hat Dekanatsfusionen begleitet – „Gremienarbeit habe ich gern gemacht. Da konnte man manchmal ein bisschen an den Stellschrauben drehen.“
Ihre berufliche Biografie zeigt eine Frau mit vielen Fähigkeiten: Die kirchliche Öffentlichkeitsarbeit hat sie professionell erlernt, war zeitweise in der Kommunikationsagentur ihres Mannes tätig, betreute später selbst den Gemeindebrief mit, war in der Verwaltung der EKHN für Strukturprozesse zuständig, war Krankenhausseelsorgerin in Alsfeld, bevor sie in Wohnbach sesshaft wurde. Auch dort betreute sie unter anderem mit Herz die Frauenhilfe, die längst ein fröhlicher Seniorenkreis geworden war. „Da haben wir viel gelacht“, sagt sie – und man glaubt es sofort.
Und noch etwas hat ihre Arbeit geprägt: ein Herz für Tiere. Zwei Ponys und ein Esel in Schwarzenborn, immer Hunde aus dem Tierschutz, aktuell Kathi aus Rumänien, die sie natürlich auch in den Ruhestand begleitet. Wohin es sie zieht? Nach Nastätten, Richtung Loreley. „Ein nettes Städtchen – und ich bin schnell im Feld, draußen, in der Weite“, sagt sie. Dort wohnt ihr Mann, und dort freut sie sich auf eine neue Lebensphase – ganz ohne Bauarbeiten.
Doch eines bleibt: Kirche, Menschen, das Miteinander. Deshalb übernimmt sie demnächst noch einen Reitergottesdienst zum Jubiläum des Landesverbands Hessen der Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer in Deutschland e.V. (VFD) – als langjährige Freizeitreiterin eine Herzenssache.
Dass ihre Pfarrstelle in Wohnbach nicht nachbesetzt wird, ist ein leiser Wermutstropfen. „Es fühlt sich komisch für mich an, das Licht hier auszumachen“, sagt die 66-Jährige. Aber Martina Belzer blickt sehr dankbar zurück – auf gute Zusammenarbeit mit den Kirchenvorständen, fröhliche Kindergottesdienste, schöne Andachten, besondere Weihnachtsgottesdienste im Freien mit Kinderchor und Bewegung, und auf „ihre Oldies“, wie sie liebevoll sagt.
Am kommenden Sonntag um 18 Uhr wird sie verabschiedet – mit einem Gottesdienst in der Evangelischen Kirche in 61200 Wölfersheim-Wohnbach. Wer Martina Belzer kennt, weiß: Es wird ein Gottesdienst mit Seele. Und mit Herz. Und auch im Ruhestand wird Martina Belzer nicht stillstehen – nur anders unterwegs sein.
Diese Seite:Download PDFTeilenDrucken