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    Petruskantorei Gießen

    Oratorium „David“ zum Sechzigsten

    Barbara CzernekDie Gießener Petruskantorei unter der Leitung von Marina Sagorski

    Die Petruskantorei besteht seit 60 Jahren und hat sich selbst ein großartiges Geburtstagsgeschenk gemacht. Unter der versierten Leitung der Kantorin Marina Sagorski führte der Chor gemeinsam mit Orchester und Solisten das Oratorium „David“ des Schweizer Komponisten Arthur Honegger (1892 – 1955) am 22. Juni in der Petruskirche auf.

    Barbara CzernekDie Solisten : Jongyoung Kim, Maia Hilmes, Britta Stallmeister, Roman Kurtz und Marina Sagorski.

    (Von Barbara Czernek)
    Mutig hatte Sagorski dieses Stück anstelle der häufig aufgeführten Chorwerken von Händel oder Bach ausgewählt. Ihr Mut wurde belohnt. Das Werk passt glänzend in die aktuelle Zeit. „David“ von Arthur Honegger ist ein Werk, dass die Zuhörer zunächst überraschte und anschließend begeisterte. Es ist ein extrem anspruchsvolles Werk für alle Beteiligten. Die Aufführung in Gießen wurde dem mehr als gerecht.

     

    Meist gespieltes Oratorium

    Obwohl das Werk zu den meist gespieltesten Oratorien des 20. Jahrhunderts zählt, war es für Gießen ein Premiere. Das 1921 verfasste Stück, das sich noch in den Ausläufern der Spätromantik bewegt, nimmt die Brüche und die Spuren, die der erste Weltkrieg in den Seelen der Menschen hinterlassen hat, mit in die musikalische Ausgestaltung hinein. Eine feingliedrige Schwermut liegt über dem gesamten Stück, die zu der augenblicklich gefühlten Weltstimmung in Einklang steht. Selbst die Halleluja-Gesänge ertönen nicht so hell und  freudig wie gewohnt, düstere Töne mischen sich überall mit hinein. Kampfgetöse, Marschlieder und scheinbare Triumphe übertönen schnell feinfühligere Passsagen.

    Das Oratorium erzählt die Lebensgeschichte des biblischen König Davis vom kleinen Hirtenjunge bis hin zum Königtum, mit all seine Facetten. Sichtlich geprägt durch die Kriegserlebnisse werden die dunklen Seiten David und seine Verfehlungen nicht verschwiegen, sondern besonders plakativ thematisiert. Honegger schlug damit einen Bogen zu den Lebenswelten seiner Zeit, deren Aktualität ungebrochen ist.

     

    Erzähler Roman Kurtz statt Rezitativen

    Schon bei der Instrumentierung zeigte der Komponist, dass er sich von seinen musikalischen Vorbildern absetzte. Die Komposition ist für einen gemischten Chor, und 17 Instrumente verfasst, wobei komplett auf Streicher verzichtet wird, mit einer Ausnahme: Ein Kontrabass ist dabei, ansonsten besteht das Orchester aus Holz- und Blechbläsern, Schlagwerk, Klavier und Orgel. Das hat enorme Auswirkungen auf das Hörerlebnis des Werkes. Statt Rezitativen wurde ein Erzähler eingeführt, dass die Verständlichkeit das Ganzen bei weitem erhöhte. Diese Rolle hatte der Gießener Schauspieler Roman Kurtz am Samstagabend übernommen. Eine höchst anspruchsvoller Part, da die Texte teilweise einhergehend mit der Musik gesprochen werden müssen, so ein Teil dessen werden. Die samtfarbene Stimme des Schauspielers fügte sich harmonisch und prägnant in das Gesamtkonzept ein und nahm das Publikum mit hinein in das Schlachtengetümmel der biblischen Geschichte.

     

    Stimmlich ein Hexenkessel

    Das Zusammenspiel aller Beteiligten, ob Chor, Orchester, Sprecher oder Solisten, funktionierte dank des klaren Dirigats der Kantorin reibungslos. Die 27 Sätze des in drei Teile gegliederten Oratoriums ließ die Dirigentin nahtlos in einander übergehen, sie gab weder den Mitwirklenden noch dem Publikum viel Zeit für Pausen. Die Kombination zwischen Texten und musikalischen Teilen fügte sich zu einem imaginären Film zusammen, dem sich keiner entziehen konnte. Eine enorme stimmliche Bandbreite wurde jeweils von den Solisten abverlangt. Alt, Tenor und Sopran müssen in kurzer Abfolge von einer sehr tiefen Stimmlage bis hin zu ihren höchsten Tönen gelangen. Der Sopranistin Britta Stallmeister, Maia Hilmes (Alt) und dem Tenor Jongyoung Kim gelangen das kräftezehrende Unterfangen  brillant, zumal sie sich zudem noch oftmals gegen die scheinbar übermächtigen Bläserkonstellationen durchsetzen mussten. Aufhorchen ließ die gesangliche Ausarbeitung der Beschwörung der Hexe von Endor. Hier erhält die Interpretin freie Hand, in welche Höhen und Tiefen sie mit ihrer Stimme zu den Orchesterklängen verfällt. Auch ist nicht festgeschriebe, wer den Part ausgestaltet. Sagorski hatte Hilmes mit der Aufgabe betraut. Sie entfachte stimmlich einen wahren Hexenkessel: düster, schrill, unangenehm  und unheimlich.

     

    Anspannung pur

    Ursprünglich war das Stück die Musik zu dem aufwändigen Bühnenwerk „Le Roi David“ mit dessen Premiere am 21. Juni 1921 die Wiedereröffnung des Volkstheaters im schweizerischen Mézieres (Kanton Waadt) nach dem ersten Weltkrieg, unter der Regie von René Morax. Das Stück hatte eine Spieldauer von vier Stunden und war ein sehr großer Erfolg. Aufgrund dessen entschlossen sich Honegger und Morax eine gestraffte, konzertante Fassung zu erstellen. Sie hat eine Länge von rund einer Stunde und war die Vorlage für die Aufführung am Samstagabend. Das war Anspannung pur.

     

    Sagorski bewies erneut Gespür

    Mit diesem Konzert bewies Sagorski ihr erneutes Gespür für den richtigen Augenblick für die Aufführung eines Werks. Das Publikum spürte dies von Beginn an. Am Ende der Aufführung herrschte zunächst dankbare Stille, bevor langsam, und zunächst zögerlich der Applaus einsetze, der zuletzt in Standing Ovation endete, berechtigter Weise.

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