Mundartgottesdienst in voll besetzter Queckbörner Kirche
"Joa, so soll eas soi!" statt Amen
StenderKlare Kante gegen Rechtsextremismus im Mundartgottesdienst30.10.2024 ast Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Um es gleich zu sagen: Das klappte hervorragend. Ebenso wie die Lieder, das Glaubensbekenntnis und das „Foadder Ihser“, die auf Platt vom Liedblatt abgelesen werden konnten. Ob allerdings auch alle, denen Mundart fremd ist, den gesprochenen Bibeltexten, Gebeten und der Ansprache zum Thema „Heimat“ in allen Einzelheiten folgen konnten, ist nicht sicher. Das Bemühen darum und ihre Begeisterung für die gelebte Tradition war in den aufmerksamen Gesichtern zu lesen.
Und auch in der Vorbereitung des Gottesdienstes wurde klar, dass es mit der Mundart nicht ganz so einfach ist. Denn bei der Probe stellte das Vorbereitungsteam fest, dass die Beteiligten sechs verschiedene Mundarten mitbrachten. Pfarrer Matthias Bink stammt aus Langgöns, die Musiker Martin und Martina Philippi brachten einen „Mischmasch aus Nieder-Ohmener, Grünberger und Ruppertenröder Platt“, die Queckbörner das Queckbörner Platt, die Lauterer das Lauterer, Jens Colaklar die Mundart aus Nidda und Kutschersch Burkhard (Bräuning) das Stockhäuser Platt mit. Außerdem seien auch welche dabei gewesen, die so tun als schwätzten sie Platt und könnten es gar nicht richtig. Aber wie Jesu Jünger zu Pfingsten habe man sich dennoch verstanden.
Doch zurück zum Thema Heimat, das gleich zu Beginn mit einem Video auch optisch eingeführt wurde. Drohnenaufnahmen zeigten die Kirchtürme von Lauter und Queckborn, Landschaft und Ortskerne, Heimat für die meisten Gottesdienstbesucher. Mit zahlreichen – hochdeutschen – Zitaten mehr oder weniger berühmter Personen und mit sehr persönlichen Gedanken umrissen Burkhard Bräuning, Nadine Stein und Anita Erb das „komplexe Thema Heimat“. Stockhausen, der heimische Garten, das Zusammenleben mit Großeltern, Eltern, Kindern und Haustieren, das gehört für Burkhard Bräuning zum Begriff Heimat, eine Heimat, die wachsen und schrumpfen, die auch sterben kann, wenn man sie verlassen muss. Heimat ist, egal wo auf der Welt „Deas heimeliche Gefoil, geborchen se soi - das heimelige Gefühl, geborgen zu sein.“
Die verwinkelten Gassen von Queckborn, Wald, Wiesen, der Äschersbach, das Wasserwerk, die Verbindung mit den Vorfahren und das Wissen um ihre schwere Arbeit, all dies verbindet Nadine Stein mit „Heimat“. Auch wenn die dörfliche Infrastruktur besser sein könnte: „Kapporn eas das, was aich Heimat nenne – Queckborn ist das, was ich Heimat nenne“.
Irgendwann müsse jedoch jeder und jede diese irdische Heimat verlassen. „Wir haben hier keine bleibende Stadt“, schreibe Paulus im Korintherbrief. Für Christen heiße das: „Ihs Heimat ower eas de Himmel - Unsere Heimat ist der Himmel.“
Nach „Foadder Ihser“ und Segen folgte der Dank an Martina und Martin Philippi für ihre Lieder, Lisa Marie Hormann für das Orgelspiel, die Kirchenvorstandsmitglieder Anita Erb und Zilla Gademann aus Queckborn, Heike Lenz und Stefan Möller aus Lauter und Pfarrer Matthias Bink für ihre Mitwirkung. Jens Colaklar aus Grünberg wurde besonders dafür gedankt dass er in Nachbarschaftsdimensionen denke und über überkommene Grenzen gehe. Auch über eine zweite Auflage des Mundartgottesdienstes wurde laut nachgedacht.
Dann wurde es noch einmal ernst und gleichzeitig bunt in der Kirche. Als Zeichen des Protests gegen die angekündigte Veranstaltung der AfD am 8. November in Weitershain entfaltete das Gottesdienstteam ein großes Regenbogenbanner im Altarraum. Man wende sich gegen eine Veranstaltung am Vorabend des Gedenktages an die Reichspogromnacht 1938, erklärte Burkhard Bräuning im Namen des Teams. Er sieht die Demokratie in Deutschland in Gefahr. Christen müssten aufstehen, „wenn gegen Menschen gehetzt, wenn Hass geschürt“ werde. Angesichts einer rechtsextremen Szene, die immer dreiste rund größer werde, forderte er die Anwesenden unter großem Applaus auf, sich an einer Lichterkette am Abend des 8. November in Weitershain zu beteiligen: „Steht auf, widersprecht, haltet dagegen!“
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