Gemeinsam Lebensraum gestalten
Die Kirche im Dorf das ist im Gießener Land noch selbstverständlich, doch auch hier sind die aktuellen Entwicklungen längst angekommen. Um sich den damit verbundenen Herausforderungen zu stellen, geht die Kirchengemeinde Ettingshausen einen neuen Weg. Der nimmt die Lebenssituation der Menschen im Gemeinwesen in den Blick und greift lokale wie globale Herausforderungen auf, denen sich Kirche als Ort der Begegnung in christlicher Verantwortung stellt. Die Verknüpfung kommunaler und kirchlicher Interessen eröffnet Kirchengemeinden den Zugang zu öffentlichen Fördermitteln.
Ein ZwischenRaum in Ettingshausen
Knapp 2000 Menschen leben in Ettingshausen, einem Ortsteil der Gemeinde Reiskirchen im Landkreis Gießen. Durch die verkehrsgünstige Lage zwischen regionalen Mittelzentren und der Nähe zur Rhein-Main-Region sind hier viele junge Familien zuhause. Die Einwohner finden vor Ort oder in erreichbarer Nähe Arbeit. Mit mehr Geburten als Sterbefällen wird zudem ein Bevölkerungszuwachs prognostiziert.
Kirche als verortete Heimat
Mitten im Ort steht die aus dem 13. Jahrhundert stammende Kirche. Als Wehrkirche erbaut, diente sie früher auch dem Schutz der Bürger. Gegenüber befindet sich das ortsprägende, bauliche Ensemble aus Gemeindebüro, Pfarrhof und Gemeindehaus. Sowohl kirchliche Gruppen als auch kommunale Vereine und Gruppen nutzen diesen Raum als ein Stück verortete Heimat und Identifikationsraum. Insbesondere im Corona-Sommer 2020 erlebte dieser zentral gelegene, aber räumlich durch Pfarr- und Gemeindehaus abgegrenzte und vom Pfarrgarten umrahmte Ort einen Bedeutungszuwachs als open-air-Begegnungsraum. Corona-konform konnten hier Sonntagsgottesdienste, Taufen und Hochzeiten gefeiert, Seniorennachmittage und Konfirmandenunterricht durchgeführt, Kirchencafé und Gemeindefeste genossen werden. Kommunale Gruppen schätzen die angenehme open-air-Atmosphäre, die in der Pandemie Begegnungen ermöglichte. Doch was als Veranstaltungs- und Begegnungsort gewachsen und genutzt wurde, stand durch einen seit Jahrzehnten bestehenden Sanierungsbedarf in Gefahr. Die umfangreichen erforderlichen Maßnahmen im Gemeindehaus, aber vor allem auch im Pfarrhof überstiegen bei Weitem die finanziellen Möglichkeiten der Kirchengemeinde. Unterschiedliche und defekte Bodenbeläge und Fundamentreste machten den Ort zunehmend zu einer Gefahrenquelle sowohl für die jüngsten Besucher*innen, die im Mutter-Kind-Gruppen vor Ort sind, als auch den Ältesten aus dem Senior*innenkreis.
Begegnung und Kommunikation im ZwischenRaum
LEADER war hier das Zauberwort, das den sowohl kommunalen als auch kirchlichen Anliegen einen passenden Förderrahmen eröffnet. Die Mittel des europäischen Förderprogramms stehen zur Verfügung, um das Zusammenleben im ländlichen Raum zu verbessern. Unter dem Titel ZwischenRaum wurde in Zusammenarbeit mit der Fachstelle Gesellschaftliche Verantwortung und Bildung, die auch die Antragstellung und Abwicklung übernahm, ein Konzept als Grundlage zur Beantragung der Fördermittel entwickelt. Dabei ist der Titel des Projekts sowohl räumlich als auch inhaltlich zu verstehen.
Der Ettingshäuser Pfarrhof soll zu einem Begegnungsort werden, wo Gottesdienste gefeiert werden können, Mutter-Kind Gruppen und Seniorentreff einen Ort haben und Feste gefeiert werden. In einem Workshop wurden die örtlichen Vereine und Interessengruppen in die Planung einbezogen. Hier entstand beispielsweise der Gedanke, die alte, aufgefüllte Mistkaute zu einer kleinen Bühne umzufunktionieren, ein Bücher-Tausch-Häuschen aufzustellen und eine Sitzecke einzurichten.
Damit hat der ZwischenRaum das Potential mehr zu werden. Mit kulturellen Veranstaltungen, Lesungen des Lesekreises, kreativen und künstlerischen Angeboten wird Raum geschaffen für Kommunikation und neue Denkräume. „Heimat braucht solche Orte“, betont Pfarrer Christian Stiller die übergeordnete Funktion des Platzes, „damit wir Heimat auch als solche erfahren können.“
Die Verwirklichung des Ettingshäuser Traums, dessen Gesamtkosten sich auf 41.400 Euro belaufen, wird nun durch die Förderung mit 20.900 Euro aus dem LEADER-Programm möglich.
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