Tyron Unger, 16 Jahre, gewinnt den 6. Laubacher Orgelwettbewerb
Königinnenklänge in Socken
Patricia Luft
29.09.2025
ast
Artikel:
Download PDF
Drucken
Teilen
Seit 2012 lädt der Laubacher Orgelwettbewerb nebenberufliche Organistinnen und Organisten aus der ganzen Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) ein, ihr Können unter Beweis zu stellen. Er ist einzigartig: Keine Profis, sondern Musikerinnen und Musiker aus der EKHN, die maximal die C-Prüfung absolviert haben. Möglich gemacht wurde dieser Wettbewerb durch die Unterstützung des Evangelischen Dekanats Gießener Land, der EKHN, der Sparkasse Laubach-Hungen, der Sparkassenstiftung-Kulturstiftung Hessen-Thüringen, der Stadt Laubach als Luftkurort, der Orgelbaufirma Förster&Nicolaus und des Landkreises Gießen.
Ein Wettbewerb, der mehr ist als ein Wettstreit
In zwei Runden mussten die Teilnehmenden ihr Können zeigen: erst das Literaturspiel, unter anderem mit Werken von Buxtehude und Brahms, dann das liturgische Orgelspiel mit selbst entworfenen Vorspielen und Begleitsätzen zu Chorälen. Musik, die tief aus dem Glauben und der Übung erwächst. Die Sicht auf die Spieler an der Orgel war mit roten Decken abgehangen, sodass die Jury die Musiker nur hören, aber nicht sehen konnte.
Die dreimanualige Barockorgel der Stadtkirche – ein Klangjuwel, dessen Ursprünge bis 1751 zurückreichen – wurde dabei zur Bühne für Königinnenmomente. „Bei diesem Wettbewerb kamen die Liebe zur Musik, zur Orgel und zu Gott zusammen“, fasste es Laubachs Pfarrerin Anke Stöppler bewegend zusammen.
Drei Talente – drei Geschichten
Drei Musiker stellten sich der hochkarätigen Jury, bestehend aus Susanne Koch (KV-Vorsitzende Laubach), Domorganist Prof. Hans-Jürgen Kaiser (Hochschule für Musik, Mainz), Prof. Stefan Göttelmann (Hochschule für Kirchenmusik, Heidelberg), Prof. Carsten Wiebusch (Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, Frankfurt) und Landeskirchenmusikdirektor Stefan Küchler (Zentrum Verkündigung der EKHN, Frankfurt).
Tobias Reichert (19) aus Darmstadt erreichte den dritten Platz. Kurz vor dem Start seines Kirchenmusikstudiums jetzt zum Wintersemester in Leipzig sagte er nach seinem Auftritt in Laubach gestern: „Es hat Spaß gemacht, man hat etwas erreicht. Es war schön, hier dabei zu sein.“ Den Preis überreichte Laubachs Bürgermeister Matthias Meyer: 250 Euro, eine Schmuckorgelpfeife und eine Urkunde.
Thorsten Conrady (46) aus Kronberg im Taunus holte den zweiten Platz – sein erster Wettbewerb überhaupt. „Ein sehr schöner Wettbewerb, herausfordernd. Richtig klasse, sehr hohes Niveau! Drei Tage lang hatte ich total viel Spaß“, schwärmte er. Den Preis übergaben Reinhold Hahn und Pfarrerin Carina Schmidt-Marburger, Mitglieder im Dekanatssynodalvorstand, im Namen des Evangelischen Dekanats Gießener Land: 500 Euro, eine Schmuckorgelpfeife und eine Urkunde. „Musik verbindet uns, sie weckt Emotionen, sie bereichert unser Leben. Kunst bedeutet auch Arbeit, Fleiß und Ausdauer – all das haben die Teilnehmenden eindrücklich gezeigt“, betonten Hahn und Schmidt-Marburger.
Tyron Unger (16), der Jüngste in der Runde, ist kein gewöhnlicher Organist. Er begann in der 1. Klasse mit Klavier – auf eigenen Wunsch, obwohl niemand in seiner Familie musikalisch war. „Ich habe mich einfach angemeldet und meiner Mutter gesagt: Du musst nur noch bezahlen“, erzählt er lachend. Heute blickt er auf zehn Jahre Klavier und fünf Jahre Orgel zurück. Seine Lehrerin Kathrin Anja Krauße bestärkte ihn, beim Wettbewerb anzutreten. „Es war nicht mein Plan“, sagt Tyron ehrlich. Doch seit Mitte der Sommerferien übte er intensiv. Lachend erzählt er von „betreutem Üben“ mit seiner Lehrerin – und davon, wie wichtig es ihm war, „Musik zu machen“ statt „nur Noten zu spielen“.
Besonders ist auch seine Art zu spielen: Tyron tritt immer in Socken an die Orgelbank. „So habe ich ein besseres Gefühl“, sagt er schlicht. Neben der Orgel spielt er Geige, hat sogar mal Bratsche im Orchester gespielt. Privat hört er Pop, R’n’B und Rap. Gerade macht er die umfangreiche C-Ausbildung zum Kirchenmusiker: Orgelspiel, Chorleitung, Gregorianik, Musikgeschichte, Tonsatz. Die Theorie hat er bereits abgeschlossen, „mir fehlt nur noch das Orgelspiel.“
Trotz dieses Könnens bleibt er bescheiden. „Die anderen beiden haben ziemlich, ziemlich gut gespielt. Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich gewinne“, gab er nach dem Wettbewerb zu. „Aber ich habe gebetet – und es hat geholfen.“ Den ersten Preis überreichte ihm Stephan Müller von der Sparkasse Laubach-Hungen, auch im Namen der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen: 1000 Euro, eine Schmuckorgelpfeife und eine Urkunde.
Festgottesdienst voller Klang und Hoffnung
Der Wettbewerb mündete in einen Festgottesdienst, in dem die drei Teilnehmenden selbst die musikalischen Akzente setzten. Die stellvertretende EKHN-Kirchenpräsidentin Ulrike Scherf, Schirmherrin des Wettbewerbs, hielt die Predigt – und sie wurde zu einer Ode an die Orgel. Sie sprach von Sorgen, die wie Vögel über uns kreisen, aber keine Nester auf unseren Köpfen bauen dürfen. „Die Orgel tröstet. Sie zeigt: Gott ist größer als unsere Sorgen. Ihre Klänge geben Kraft, Trost und Zuversicht.“
Scherf beschrieb die Orgel als „Königin der Instrumente“ und „Brücke zwischen Gott und den Menschen“. „Die Orgel klingt wie das Leben selbst: entschlossen, entschieden, verletzlich, zart. Sie ist ein Schatz, ein Geschenk. Menschen sind angerührt, wenn die Orgel erklingt.“ Und sie spannte den Bogen weit: „In einer Welt, die täglich vom Bösen gezeichnet ist, kann die Orgel ein Zeichen von Widerstand und Beistand sein. Sie bestärkt uns, gibt Hoffnung und Frieden.“ „Es war ein Fest für die Seele“, fasste Scherf den Wettbewerb zusammen.
Dank an alle, die den Wettbewerb möglich machen
Susanne Koch, Kirchenvorstandsvorsitzende in Laubach, eröffnete die Preisverleihung: „Es war ein kleiner, aber feiner Wettbewerb. Großes Können, musikalisches Gespür – die Teilnehmenden haben uns gezeigt, welch wertvolles Engagement und Talent in unseren Gemeinden schlummert.“
Stefan Küchler überreichte zudem Präsente an die Jury und an Dekanatskantorin Anja Martine, die den Wettbewerb mitorganisiert hatte. „Kirche und Orgel gehören zusammen. Was wären wir ohne Menschen, die diese Instrumente zum Klingen bringen? Musik füllt Herzen“, schwärmte Küchler.
So endete der 6. Laubacher Orgelwettbewerb: mit stolzen Preisträgern, einer Gemeinde voller Dankbarkeit – und mit der Erkenntnis, dass die Orgel weit mehr ist als Holz, Metall und Mechanik. Sie ist Brücke zwischen Gott und den Menschen. Und sie braucht Menschen wie Tyron, Tobias und Thorsten, die sie zum Leben erwecken.
Vielleicht ist genau das die schönste Botschaft dieses Wochenendes: Kirche klingt, bewegt und schenkt Hoffnung – durch Musik, die Herzen erreicht.
Diese Seite:Download PDFTeilenDrucken