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          Ergreifendes zum Ewigkeitssonntag in der Marienstiftskirche

          Trost in Zeiten der Trauer

          Doris WirknerChristof Becker dirigiert Chor und OrchesterChristof Becker dirigiert Chor und Orchester

          „…es ist ein ganz gewaltiges Stück, ergreift den ganzen Menschen in einer Weise wie wenig anderes.“ so beschrieb Clara Schumann das Deutsche Requiem von Johannes Brahms. Am Sonntag widmete sich Marienstiftskantor Christoph Becker diesem anspruchsvollen Werk mit der Marienstiftskantorei und der Kammerphilharmonie Bad Nauheim.

          Ein eindrucksvoller Beweis aller Beteiligten, warum das Requiem nicht nur Clara Schumann beeindruckte, sondern zu den populärsten Kompositionen des Komponisten gehört.

          Trauer liegt in der Luft. In der restlos gefüllten Marienstiftskirche entfalten sich unter den steinernen Säulen die vielschichtigen Melodieeinsätze. Der Totensonntag ist ein Gedenktag für die Verstorbenen, das Deutsche Requiem eine adäquate Wahl. Doch ein an der katholischen Liturgie der Totenmesse orientiertes Werk ist es nicht. Denn der vom evangelisch-lutherischen Glauben geprägte Brahms stellt der Trauer, biblische Worten des neuen und Alten Testaments und ergreifende Klangwelten tröstend entgegen. 1856 stirbt sein verehrter Freund und Förderer Robert Schumann. Wenig später beginnt Brahms mit der Auswahl biblischer Texte für eine große Trauer-Kantate. In Anlage und Besetzung gab Brahms seinem Requiem einen oratorischen Rahmen. "Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden." Diese Worte der Seligpreisungen der Bergpredigt stehen am Anfang. In tiefen Klangfarben macht das Orchester die Trauer greifbar, die der Chor leise und sanft aufgreift. Vielstimmig und in feinen Nuancen treten Chor, Orchester und Solisten unter der Leitung von Christoph Becker in einen Dialog. Mit tiefen wuchtigen Bässen und dramatischen Akkorden entspannt sich im zweiten Akt ein Trauermarsch. Wie Paukenschläge legt sich die beklemmende Erkenntnis der Endlichkeit allen irdischen Lebens schwer auf die Seele. "Aber des Herren Wort bleibt in Ewigkeit". In energischen Klängen stellt sich der Chor dem Schmerz und Seufzen entgegen. Mit großer Intensität und stimmlicher Präzision greift Florian Plock (Bariton) die Verzweiflung auf, um die entscheidende Frage zu stellen. "Nun Herr, wes soll ich mich trösten?" Und aus der Tiefe baut der Chor in fugierenden Klängen gewaltig und strahlend die Antwort auf. "Ich hoffe auf dich." Lieblich und schön ist nun die Klangfarbe im vierten Satz, wie ein Blick ins Paradies. Wie eine ruhende Insel breiten sich die hoffnungsvollen Melodien aus. Zu einem dialogischen Klingen kommt es in V. Satz, in dem der Chor das "Ihr habt nun Traurigkeit" mit einem "Ich will euch trösten" beantwortet. Zärtlich wie mütterlicher Trost entfaltet sich der fünfte Satz, den Brahms erst nachträglich in sein Werk einfügte. Denn der Tod seiner Mutter ist nach dem des Freundes eine weitere tiefe Erschütterung im Leben des erst 33-jährigen Komponisten. In ihrer Sopran Arie verleiht Sopranistin Helena Günther den tröstenden Worten mit kraftvoller Stimme und ergreifender Klarheit einen überzeigenden Ausdruck. Der Wiederstreit zwischen Trauer und Trost kumuliert im sechsten Satz. Im "dramatischen Höhepunkt des Werkes" führt Christoph Becker seine Musiker zu Höchstleistungen zusammen. Die über allem stehende Botschaft, dass Leid und Trauer im Glauben Überwindung finden, dringt nun in jeden Winkel des Kirchenschiffs. "Wir werden alle nicht entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden."

          So schließt Brahms den Bogen im letzten seines nach zehn Jahren Arbeit entstandenen, sieben Sätze umfassenden Werkes. Die Gewissheit der Unsterblichkeit der menschlichen Seele findet noch einmal in einem riesigen vokal-instrumentalen Klangkörper zusammen. Mit großer Ruhe führt Christoph Becker zielstrebig durch das Werk des Komponisten. Sicher verbindet er die solistischen Elemente mit den Chorstimmen und dem tiefen Orchesterklang. Die große Präsenz der von ihm geleiteten Marienstiftskantorei, die stimmliche Transparenz der Solisten und die hohe Präzision des musikalischen Ausdrucks der Kammerphilharmonie Bad Nauheim verschmelzen so zu einem ergreifenden Klangkörper. In den symphonischen Variationen über den Choral "Wer nun den lieben Gott lässt walten" von Georg Schuhmann haben die zumeist professionellen Kammermusiker ihr Können bereits zu Beginn unter Beweis gestellt und eindrucksvoll auf das Brahmsche Requiem eingestimmt. Minutenlanger Applaus und stehende Ovationen zollen der herausragenden Leistung aller Beteiligten ein verdientes Lob, das an diesem Abend noch lange trötend nachklingt.

          Autorin: Doris Wirkner

          Veröffentlicht in der Giessener Allgemeinen Zeitung am 27. November 2018

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