Evangelisch im Gießenerland

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          Tag für Pfarrerinnen und Pfarrer in Friedberg

          Flügge: Kirche soll dezentral kommunizieren

          StenderRedner rechts vor Menschen an TischenErik Flügge spricht vor Pfarrerinnen und Pfarrern der EKHN in Friedberg

          Viel Zustimmung, aber auch kritische Reaktionen erntete der Autor und Kommunikationsberater Erik Flügge für seine Thesen zur Zukunft der Kirche, die er beim Tag für Pfarrerinnen und Pfarrer der EKHN in Friedberg unter dem Titel „Eine Kirche für viele statt heiligem Rest“ zur Diskussion stellte.

          Rund 70 Seelsorgerinnen und Seelsorger aus der hessen-nassauischen Landeskirche waren der Einladung des Pfarrerinnen- und Pfarrervereins in die Stadt gefolgt, wo vor 75 Jahren die Evangelische Landeskirche in Hessen und Nassau gegründet wurde. Vor den touristischen Teil am Nachmittag, an dem unter anderem die Stadtkirche besichtigt werden konnte, stand der Vortrag von Erik Flügge mit dem Titel „Eine Kirche für viele statt heiligem Rest“. So heißt auch ein Buch, das der 36jährige Autor zusammen mit David Holte 2019 veröffentlichte.

          Mehrheit der Kirchenmitglieder sieht keinen Nutzen in der Mitgliedschaft

          Seine Kernthese: Kirchen und christliche Glaubensgemeinschaften werden höchstens als „heiliger Rest“ überleben, wenn sie weiterhin den Großteil ihrer Ressourcen so einsetzen, dass die Mehrheit ihrer Mitglieder keinerlei Nutzen mehr in ihrer Mitgliedschaft sehen. Er machte diese These unter anderem an seiner eigenen Glaubenspraxis fest, die er als exemplarisch für seine Generation darstellte. Flügge ist katholisch, besucht aber seit Jahren keine Sonntagsgottesdienste mehr.

          Kein Angebot für seine Generation

          Einerseits ist dies seiner intensiven Reisetätigkeit geschuldet, andererseits der Erfahrung, dass Kirchengemeinden für Außenstehende abgeschottet wie Wagenburgen wirken. Überdies ziehe seine Generation, vor allem aber auch die nächstjüngere, keinerlei persönlichen Nutzen mehr aus dem traditionellen spirituellen Angebot der evangelischen und katholischen Kirchengemeinden.

          Traditionelle Gemeindelogik versagt

          Die traditionelle Gemeindelogik versage zusehends, stellte Flügge fest. Man müsse davon ausgehen, dass junge Menschen weg- und umziehen. Sie suchten am neuen Wohnort keinen Neuanschluss an eine Kirchengemeinde – und nicht nur das: „Es fehlt der Erstanschluss“. Und wenn immer mehr Eltern die Entscheidung für oder gegen Religion ihren Kindern überließen, sei der Traditionsabbruch einfach da.

          Rebellion findet außerhalb der Kirche statt

          Bisher hätten auch innerkirchlich die jüngeren Generationen gegen die älteren rebelliert, führte Flügge weiter aus. Die Rebellion der jetzigen jungen Generation finde allerdings außerhalb von Kirche statt, denn sie habe den Raum in der Kirche nicht gefunden oder nicht bekommen. Ihre Erfahrung mit Kirche sei: „Gott ist das, wo du dein Handy weglegst, wo du die Klappe halten musst und wo es Musik der 70er und 80er Jahre von der CD gibt.“

          Es kommen nicht mehr

          Allen Überlegungen, passende Angebote für diese Generation zu entwickeln, erteilte der Referent eine klare Absage: „Bitte kein neues Angebot – mein Leben ist voll.“ Das gelte nicht nur für ihn, sondern für die Mehrheit seiner Generation. „Sie kommen nicht, weil sie nicht kommen wollen.“

          Kommunikation verändern

          Wie können die Kirchen trotzdem als „offene“ Organisationen überleben und eine so glaubwürdige Rolle in der Gesellschaft spielen, dass diese Generation, sofern sie noch dazugehört, nicht komplett aussteigt? Flügge hat da mehrere Vorschläge. Gemeinden, die für sich einen diakonischen Zweck definierten, könnten die Frage: „Was macht ihr?“ klar beantworten. Diakonische Aufgaben böten auch immer die Möglichkeit des sinnvollen Engagements auf Zeit. Gemeindebriefe sollten denen außerhalb der Kerngemeinde „was zu bieten haben“ und deutlich machen: „Was tun wir für andere, was leisten wir für die Gemeinschaft, warum sind wir für unser Dorf wichtig?“

          Diakonie und Beziehungspflege

          Flügges „diakonische und beziehungsorientierte“ Kirchengemeinde geht mit einem kleinen Kreis von engagierten Menschen zum Feuerwehrfest und auf den Fußballplatz, klingelt einmal im Jahr mit einem freundlichen Gruße an der Tür jedes Mitglieds oder schickt regelmäßig persönliche Grußkarten, statt die Gemeindemitglieder durch Kontaktabbruch fürs Nicht-Kommen zu bestrafen.

          Wer sich im Publikum in der Friedberger Stadthalle zwischendurch einmal der Hoffnung hingegeben haben sollte, Flügge habe damit ein Rezept für eine Trendumkehr bei den Mitgliederzahlen mitgebracht, wurde jedoch enttäuscht. Der Kommunikationsberater betonte mehrmals: „Es werden nicht mehr! Die Zielgruppe ist erschöpft.“

          Yeet-Netzwerk richtiger Ansatz

          In der Diskussion wurde deutlich, dass Flügge in der Evangelischen Kirche durchaus Ansätze für die notwendige „dezentrale Kommunikation“ und die öffentliche Präsenz von Kirche sieht, etwa im Yeet-Netzwerk der EKD in den sozialen Medien oder in der Person von Anna-Nicole Heinrich, der jungen Vorsitzenden des Rats der EKD.

          "Feiert weiter Gottesdienste"

          Es gehe ihm nicht darum, die traditionellen Gottesdienste abzuschaffen oder das Feiern mit den „Omas im Frauenkreis“, präzisierte er auf eine Anfrage aus dem Publikum. Gleichzeitig heiße es aber, die Netzwerke „zu packen und rauszugehen“. Zum Schluss der Diskussion stellte ein Teilnehmer fest, dass die Thesen von Erik Flügge so neu eigentlich nicht seien: „Wir reden seit 30 Jahren darüber, aber wir machen es nicht.“

          Pfarrerinnen- und Pfarrerverein in der EKHN

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